Verena Dürrenmatt

Auf spezielle Weise hatte Verena, geb. 1924, zu ihrem grossen Bruder eine innige Beziehung. Die Wände ihrer Wohnung sind mit Lithographien geschmückt, die ihr der Bruder geschenkt hat.

Manchmal wundern sich die Leute, warum er so wenig über Privates geschrieben hat. Über unsere Eltern, über mich, seine Kinder, seine Frauen. Auch gesprochen hat er über uns eigentlich nie. Aber ich verstehe das sehr gut. Das Private war ihm heilig. Die Familie war für ihn ein sicherer Ort, an den er sich zurückziehen konnte. Als Lotti starb, hatte er eine furchtbar schwere Zeit. Und dann heiratete er ziemlich bald wieder. Ich glaube, irgendwie brauchte er ein Nest. Einen Ort, von dem aus er über die Welt schreiben konnte.

Verena Dürrenmatt über das "Private"

Er hat ja sowieso fast immer nur gelesen. Auch, als er es noch gar nicht konnte. Dann hat er eben Bücher angeschaut. Sich Geschichten zu den Bildern ausgedacht. Manchmal wurde mir dann langweilig. Richtig dazugehört haben wir eigentlich nie. Als Pfarrkinder lebten wir wie in einem Glashaus. Ausgestellt, beobachtet von allen. Die Bauernjungen waren oft roh, die haben den Fritz auch mal verprügelt. Eigentlich war er immer schon ein Einzelgänger.

Verena Dürrenmatt über die gemeinsame Kindheit

Mein Bruder war immer der Grosse, später noch berühmt. Meine Eltern hatten ja 12 Jahre keine Kinder bekommen, und dann kam dieses Monster eines Bruders. Ich war es von klein auf gewohnt, einen Gesprächspartner zu haben, der mich herausgefordert hat, der einen unglaublichen Reichtum an Gedanken hatte. Der zwar auch launisch war und schwierig und manchmal fast etwas autistisch, aber immer, immer interessant. Vielleicht kann man auch nicht wirklich von Gesprächen reden. Er redete und redete und erzählte und ich hörte zu.

Verena Dürrenmatt über ihren „grossen Bruder”

Peter Dürrenmatt

Peter Dürrenmatt, geb.1947, ist der erstgeborene und einzige Sohn von Friedrich Dürrenmatt und seiner Frau Lotti. Er sieht seinem Vater heute frappierend ähnlich und hat auch eine ähnliche Stimme.

Die Angriffe meines Vaters auf die Kirche fand ich immer richtig, es waren Angriffe gegen die Machtpolitik. Und wenn er über die Götter schrieb, schrieb er eigentlich über die Menschen. Ich wusste schon mit 12 oder 13, dass ich Pfarrer werden wollte. Wir waren ja oft bei den Grosseltern gewesen. Die beiden hatten eine sehr moralische Theologie, eine altmodische Frömmigkeit. Mein Vater interessierte sich für die Entwicklung der Theologie in den 60er und 70er Jahren, für Karl Barth. Und er kannte die Bibel gut. Es kam mir gar nicht in den Sinn, dass er es nicht gut finden könnte, wenn ich Pfarrer werde. Ich habe nur einmal mit ihm darüber diskutiert, vier Stunden lang, dann bekam er einen Herzinfarkt.

Peter Dürrenmatt über Religion

Er hat oft gesagt, dass er für uns gearbeitet habe. In den schwierigen Anfangszeiten hat er für uns ein Haus gekauft. Das Geld bekam er, in dem er überall von Stücken erzählt hat, die er schreiben werde, die meisten hat er dann nie geschrieben. Er hat Kriminalromane geschrieben, als das Geld knapp war. Man wusste: Wenn er kreiert ist er lustig, ladet Leute ein. Wenn er korrigiert, und das waren viel längere Phasen, zieht er sich zurück. Dann war das oberste Gebot in der Familie: ‚Du darfst deine Eltern nicht stören.’ Die Stimmung in der Familie war abhängig vom Arbeitszyklus des Vaters.

Peter Dürrenmatt über die Familie

Irgendwie gingen sie immer davon aus, dass er wegen seiner Zuckerkrankheit zuerst stirbt. Sie lebten 40 Jahre sehr eng zusammen. Erst als die Mutter starb, realisierte ich, dass ich eine Mutter und einen Vater gehabt hatte, vorher hatte ich in meinem Empfinden einfach Eltern. Sie waren immer eins gewesen, complicité et unité‘.Er rief mich am Morgen an und sagte: ‚Die Mutter ist gestorben‘. Er hat keine Beerdigung gemacht. Er hat die Asche alleine im Garten verstreut.

Peter Dürrenmatt über Lottis Tod

Ruth Dürrenmatt

Ruth Dürrenmatt, geboren 1951, ist das jüngste der Dürrenmatt-Kinder und hat als Einzige seine künstlerische Begabung und seinen Humor geerbt.

Er war ein Genussmensch, sagte immer, er wolle im Kartoffelsalat begraben werden. Auch wenn ich ihn in späteren Jahren besuchte, haben wir immer sehr viel getrunken. Er liebte das Wein trinken, das war natürlich nicht ideal.

Ruth Dürrenmatt über den Genussmensch

Er war dem Denken verpflichtet. Davon hat er nie abgelassen. Wenn ihn die Kritiker verrissen, hat ihn das sicher gequält, aber ich habe als Kind nichts davon mitbekommen. Er war einer, der immer so aufgetreten ist, dass man nicht merkte, wie verletzlich er war.

Ruth Dürrenmatt über FDs Verzweiflung

In den Sommerferien gingen wir in den 60er Jahren in ein Haus an der Cote d’Azur. Da hat er mit uns und für uns gemalt. Eine ganze Geschichte für uns erfunden. Das war wunderbar. Wir waren nicht sehr verwöhnt, aber ich durfte immer alle Stifte und Farben kaufen, die ich wollte. Ich bin ja selber Malerin geworden und fühle mich ihm in der Malerei, die aus der Phantasie kommt, sehr nah.

Ruth Dürrenmatt über ihre schönste Familienzeit

Sabine Gisiger (Regie)

2014  ‹YALOM’S CURE› (Kino – Dokumentarfilm, 77 Min.)
2014  ‹FRIEDRICH DÜRRENMATT IM LABYRINTH› (TV – Dokumentarfilm, 52 Min.)
2011   ‹LA VOCE IN BELLEZZA› (TV – Dokumentarfilm, 52 Min.)
2010   ‹GURU – BHAGWAN, HIS SECRETARY & HIS BODYGUARD› (Kino – Dokumentarfilm, 102 Min, mit Beat Häner)
2007   ‹YA SHARR MOUT› (TV – Dokumentarfilm, 70 Min.)
2005   ‹GAMBIT› (Kino – Dokumentarfilm, 107 Min.)
2003   ‹HOMELAND› (TV Dokumentarfilm, 52 Min.)
2000   ‹DO IT› (Kino – Dokumentarfilm 97 Min., mit Marcel Zwingli)
1996   ‹LEBEN IM HIP HOP› (TV – Dokumentarfilm, 25 Min., NZZ Format)
1995   ‹MOTOR NASCH› (Kino – Dokumentarfilm, 90 Min., mit Marcel Zwingli)
1990   ‹DIE LETZTE JAGD› (TV – Dokumentarfilm., 50 Min., mit A. Hoessli, SF DRS)

Sabine Gisiger, geboren 1959, studierte Geschichte in Zürich und Pisa und schloss das Studium 1988 mit einer Dissertation über die Geschichte der Dienstmädchen ab. 1989 liess sie sich am Schweizer Fernsehen zur Fernsehjournalistin ausbilden und arbeitet seither regelmässig als Reporterin im In – und Ausland.

Seit 1990 realisiert Sabine Gisiger als freie Filmschaffende Dokumentarfilme, die allesamt mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet wurden. 2000 erregte ihr Dokumentarfilm DO IT, den sie gemeinsam mit Marcel Zwingli drehte, internationales Aufsehen und erhielt 2001 den Filmpreis für den besten Schweizer Dokumentarfilm.

2005 hatte sie mit den Kinofilmen GAMBIT, 2010 mit GURU und 2014 mit YALOM’s CURE weitere internationale Erfolge. Seit 2002 unterrichtet sie als Dozentin für Dokumentarfilm an der ZHDK Zürich und an der Hochschule Luzern Design & Kunst.